Rückblick 89. Schweizer Immobiliengespräch – RICS about Risks

Events – Inflation, Zinswende, schwächelnde Konjunktur. Die Herausforderungen am Liegenschaftenmarkt steigen. Orientierung bot das 89. Schweizer Immobiliengespräch mit einem kritischen Ausblick auf die weltweit wichtigsten Immobilienmärkte.

Inflation, steigende Zinsen, drohendes Abgleiten in die Rezession sowie geo­politische Unsicherheiten: Mit ihrem Thema, welches auf die in den vergangenen Monaten deutlich gestiegenen Risiken an den Schweizer wie interna­tionalen Immobilienmärkten anspielt, hatten die Veranstalter des 89. Schweizer Immobiliengesprächs ins Schwarze getroffen. Zu dem Event, der erstmals vom Magazin IMMOBILIEN Business (Galledia Fachmedien AG) und der Schweizer Sektion der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) gemeinsam organisiert wurde, durfte Moderator Prof. Dr. Michael Trübestein FRICS, Präsident der RICS Schweiz, im November 260 Gäste im Mariott Hotel in Zürich begrüssen.

 

«Insel der Glückseligen»
Trübestein startete mit einem Bild in den Abend: die Immobilienwirtschaft als «Insel der Glückseligen». Denn bisher habe sich die Immobilienwirtschaft in einem konstant positiven Umfeld befunden: «Mit den globalen Kapitalflüssen der weltweiten Immobilienmärkte ging es kontinuierlich bergauf.»
Doch über der Insel der Glückseligen ziehen nun Wolken auf – neue geopolitische Unsicherheiten, erstmals wieder steigende Zinsen, höhere Inflationsraten und politische Restriktionen. Mit Marie Seiler, Head Third Party Real Estate Schweiz bei Swiss Life Asset Managers, Cornel Widmer, Global Head of Real Estate der Zurich Versicherung, Ulrich Braun, Head of Business Development Credit Suisse Asset Management, sowie Jürg Syz, Partner bei Asia Green Real Estate, gewährten vier renommierte Referenten einen Einblick in die Marktsituation in der Schweiz, Europa, den USA und Asien, beleuchteten das aktuelle Transaktionsumfeld und zeigten auf, wo es zukünftige spannende Marktopportunitäten gibt.

Schweiz: Solide Fundamentals
«Der Schweizer Immobilienmarkt ist eine grosse Ausnahme», begann Marie Seiler MRICS von Swiss Life Asset Managers ihren Vortrag und mahnte: «Risiken muss man trotzdem jederzeit smart managen.» Zur Beschreibung der aktuellen Situation zitierte sie die Ergebnisse einer aktuellen Befragung von PwC und ULI bei paneuropäischen ­Investmentmanagern: Danach sind Investoren aktuell auf dem Kapitalmarkt vorsichtig. Zwar gäbe es keinen wesentlichen Abzug des Kapitals aus dem Immobiliensektor, doch Wachstum sei in diesem Herbst schwierig. Das Smarteste sei daher heutzutage: «Die Füsse stillhalten und auf besseres Sentiment auf dem Kapitalmarkt warten.» Mit Blick auf den Kapitalmarkt gab sie die Zinserwartung von Swiss Life Asset Managers bekannt. Demnach dürften sich risikofreie Renditen über 2024 hinaus bei 1,6 Prozent stabilisieren. «In diesem Umfeld bleiben Immobilienanlagen weiterhin relativ attraktiv», sagte Seiler. Zwar seien die Nominalzinsen von risikolosen Anlagen gestiegen, jedoch auch die Inflationserwartungen. Damit bestehe weiterhin eine erwartete Mehrrendite auf den meisten Immobilienanlagen. Optimistisch stimme besonders der Fundamentalmarkt in der Schweiz, sagte Seiler. In den Städten, also dort, wo Swiss Life Asset Managers vorwiegend investiert ist, lägen die Leerstände unter einem Prozent und somit tiefer als im Schweizer Durchschnitt; gleichzeitig steige die Zuwanderung deutlich gegenüber den Vorjahren. Damit reduzierte sich das Wohnungsangebot im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent. Diese Knappheit werde zusätzlich durch geringeren Wohnungsbau verschärft, führte Seiler weiter aus. Sie rechnet damit, dass der Referenzzins im Jahr 2023 erstmals steigen könnte. Die Talsohle auch beim Durchschnittszinssatz aller Hypotheken sei erreicht. Auch im Bereich der Büroflächen steige die Nachfrage aufgrund des Stellen- und Beschäftigtenwachstums: Im zweiten Quartal wurden um 27 Prozent mehr Flächen absorbiert als im Vorjahr. Auch bei den Verkaufsflächen habe sich die Lage in der zweiten Hälfte 2022 verbessert; die Angebotsmieten seien deutlich angestiegen. In den Grossstädten sei der Anstieg bereits seit 2020 zu beobachten, zusammen mit dem Umsatzwachstum des Detailhandels.

Europa: Robuste Arbeitsmärkte
Cornel Widmer, Global Head of Real Estate der Zurich Versicherung, öffnete den Blick auf die europäischen Märkte. Auch er sieht keinen Grund, von der «Insel der Glückseligen» wegzugehen. Dass man aktuell wieder über Risiken spreche, sei eine positive Entwicklung: «Denn Risiken gibt es» – auch wenn dies in den vergangenen Jahren, in denen Immobilieninvestments quasi alter­nativlos waren, etwas in Vergessenheit geraten sei.
Wer angesichts der jüngsten Entwicklungen in Schwierigkeiten gerate, habe die Hausaufgaben nicht gemacht – denn das Risikomanagement, insbesondere bei einer relativ illiquiden Asset-Klasse wie Immobilien, sei nicht nur dann erforderlich, wenn sich eine Krise abzeichne. Es sei «eine permanente Aufgabe» – damit man auch bei aufkommenden Gewitterwolken immer noch ruhig schlafen könne. Es sei daher bei allen Investments darauf zu achten, dass sie in Segmenten und Märkten erfolgen, die mittel- bis langfristig «liefern können», was den Ertrag angeht – sprich, stabile bis wachsende Cashflows erwarten lassen.
Die europäischen Märkte sind Cornel Widmer zufolge angesichts der Fundamentaldaten – etwa der robusten Arbeitsmärkte – «noch immer in Fahrt». Und dies werde, vorausgesetzt, es komme nicht zu einer tiefen Rezession, auch so bleiben. Gleichwohl werde bei Investments in Liegenschaften die Auswahl jedes einzelnen Assets relevanter. Hierbei stelle insbesondere die ESG-Thematik – vor allem bei Bestandesimmobilien – den Immobilienmarkt vor Herausforderungen. Schliesslich gelte es, die gebaute Umgebung in Ordnung zu bringen, so Widmer: «Dies ist unsere Aufgabe.»

USA: Lokale Wirtschaftsdynamik entscheidend für die Rendite
Anders verhält es sich auf dem Immobilienmarkt der USA, wie Ulrich Braun von Credit Suisse Asset Management berichtete. Denn auf die zunehmende Inflation habe das Fed – ungeachtet der dadurch zu erwartenden Erschütterungen im Immobilienmarkt – mit einer schnellen und relativ hohen Anhebung des Leitzinses reagiert. Dieser liegt heute bei 4 Prozent, was sich Braun für die Schweiz nicht wünscht. Ein Blick in den Rückspiegel zeige, dass die Renditen relativ zu tief liegen. «Das Kapitalwachstum ist auf hohem Niveau, es wird sich aber verlangsamen», sagt Braun. Die Unterschiede zwischen den Sektoren (Büro, Wohnung, Industrie, Detailhandel) würden weiterhin gross bleiben. Im Gegensatz zu Europa stiegen die Preise in den amerikanischen Vororten, statt in den Innenstädten. «Der Schlüssel zum Schutz langfristiger Renditen ist es, die Wachstumseffekte mitzunehmen», sagt Braun. Immobilien könnten als Inflationsschutz dienen, wenn sie von Wachstumseffekten profitieren können. Nach der Zinswende werde für die Gesamtrendite insbesondere das Mietwachstum relevant, da der Rückenwind durch sinkende Zinssätze nachlasse und den Markt nicht mehr antreibe. Zunehmend bestimme die lokale Wirtschaftsdynamik, also die Demografie und Infrastrukturprojekte, die Unterschiede in der relativen Gesamtrendite. In Zukunft reiche daher ein detailliertes Verständnis der Sektoren allein nicht mehr aus: «Wir müssen auch die Dynamik der Städte verstehen.» Mit Blick auf eine mittel- bis langfristige Dynamik erwartet Braun, dass der Fokus auf ESG-Faktoren zunehmen wird und sich die Nachfrage auf energieeffiziente Gebäude verlagert. Auch steige das Risiko von «stranded Assets».

Asien: Impulse durch rasant wachsende Mittelklasse
Zum Schluss stand der Immobilienmarkt Asien im Fokus. Jürg Syz, Partner bei Asia Green Real Estate, zeigte auf, dass Asien zwar weiterhin eine starke Präsenz bei den Firmen hat, jedoch in den Portfolios untergewichtet ist. Ein Treiber des Wirtschaftswachstums in Asien sei die rasant wachsende Mittelklasse. Um bis zu 1,5 Milliarden Personen soll der Mittelstand in Asien bis 2030 wachsen, so die Prognose von Syz. «Das ist ein riesiger Dampfer», sagte er, denn die Menschen würden erst einen Fernseher, dann einen Kühlschrank, dann ein Auto und dann eine Wohnung kaufen – was für die Immobilienmärkte in Fernost auch längerfristig starke Impulse erwarten lasse. Es sei daher ein Risiko, nicht in Asien zu investieren.
Drei Märkte hat Syz zur Verdeutlichung herausgepickt. Das wichtigste Tor nach Asien sei Singapur. Die Stadt habe sich nach Covid stark erholt und die Preise und Mieten stiegen nach der Pandemie kräftig. Ausserdem zeichne sich der Stadtstaat durch ein langfristiges BIP-Wachstum und ein stetiges Bevölkerungswachstum aus. Gleichzeitig biete die Stadt eine hohe politische Stabilität und sei bekannt für ihre Sicherheit und ausgezeichnete Infrastruktur. «Singapur ist die klar bevorzugte Gateway City Asiens für multinationale Firmen», sagt Syz. Auch in Indonesien sorgten eine junge Bevölkerung und die wachsende Mittelklasse für ein langfristiges Wachstum. Letztere soll gemäss Erwartungen bis 2030 von 85 Millionen auf 170 Millionen steigen. Zunehmend Bedeutung erhalte die Hauptstadt Jakarta. Sie sei eine zunehmend bevorzugte Destination für die Expansion von internationalen Firmen, sowohl als Produktions- als auch als Bürostandort. Seit Sommer 2022 nehme auch die Nachfrage im Büro- und Wohnbereich wieder spürbar zu. Eine bleibende Relevanz als Wirtschaftsmotor habe nach wie vor China. Auch hier wächst die Mittelklasse, was zu einer nach wie vor starken Nachfrage nach Immobilien führe. Zwar seien viele Immobilienentwickler derzeit gefordert, da die Kombination aus regulatorisch bedingter Senkung der Fremdfinanzierungsquote und restriktiven Covid-Massnahmen viele Immobilienentwickler in Liquiditätsschwierigkeiten gebracht habe. Doch seien der Wohnungs- und Büromarkt resilient, sagte Syz: «Der Gesamtmarkt ist robust.»

Fazit: Zahlreiche spannende Opportunitäten und Nischen
In einer abschliessenden Podiumsdiskussion wurden die zentralen Risiken und Opportunitäten kritisch analysiert. Zusammenfassend bekräftigte Michael Trübestein seine Anfangsthese: «Die Musik auf den Immobilienmärkten, der Insel der Glückseligen, wird in einigen Segmenten leiser, gleichwohl gibt es weltweit zahlreiche spannende Opportunitäten und Nischen. Diese eignen sich für eine Diversifikation und bieten attraktive Rendite-/Risikoprofile, müssen aber strukturiert und zielführend analysiert werden.»

Das 90. Immobiliengespräch findet am Mittwoch, 22. März 2023 im Restaurant Metropol statt. Hier anmelden

 

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