Rückblick 86. Schweizer Immobiliengespräch

Immobilien stehen im Ruf, ein Hedge gegen die Teuerung zu sein. Das Panel des 86. Schweizer Immobiliengesprächs prüfte die Faktenlage auf Herz und Nieren. Klar ist: Eine Überperformance in inflationärer Zeit können die Investoren nicht erwarten.

Moderator John Davidson, Professor an der Hochschule Luzern, skizzierte zu Beginn des gut besuchten 86. Schweizer Immobiliengesprächs im Zürcher Restaurant Metropol das grosse Bild in verschiedenen Volkswirtschaften: In Europa und in anderen Teilen der Welt ist die Inflation zunächst von den steigenden Energiepreisen getrieben worden. In den USA breitet sich eine erste Teuerungswelle bereits weiter aus – hier ist bereits eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gekommen. «Aber muss Inflation per se schlecht sein?», so die einleitende Frage des Moderators.

Offenbar kommt es immer auch auf das Umfeld an, sprich auf die Lohnentwicklung, die Nachfrage und die Konjunktur. Dabei spielen viele weitere Aspekte mit hinein, etwa die Frage nach der enormen Ausweitung der Geldmenge in den meisten westlichen Volkswirtschaften und deren Folgen. John Davidson zeigte gleich zu Beginn auf, wie schwierig sich das Geschäft mit Prognosen gestaltet. Während noch im Januar dieses Jahres führende Ökonomen und Bankhäuser die These von der «Zinswende» verneinten, sah die Welt innerhalb kürzester Frist ganz anders aus. Und das in den süffigen Schlagzeilen zitierte «Gespenst Inflation» kehrte deutlich schneller als erwartet zurück.

Stimmt die These?

Die Ökonomin Francesca Boucard, Head Real Estate Research & Strategy bei Swiss Life Asset Managers, betonte, dass Immobilien ganz grundsätzlich als Inflations-Hedge gelten. Die These sei an sich berechtigt, erklärte Boucard dem vollbesetzten Auditorium – «aber erwarten Sie keine Überperformance». Im direkten Vergleich mit anderen Asset-Klassen wie Aktien und Obligationen schnitten Immobilien in langer Perspektive zwar gut ab. Aber es gebe auch ­klare Indizien, die einen allzu naiven Glauben an den Inflationsschutz stark relativierten, so Boucard: Das fange schon damit an, dass im operativen Geschäft längst nicht alle Mietverträge 1:1 mit der Teuerung indexiert sind. Je nach den Details der Vertragsgestaltung, je nach Sektor, Marktlage und Konjunkturzyklus ergibt sich somit eine sehr unterschiedliche Einschätzung.

Ein anderes erstes Fazit lautet: Teuerungsbereinigt sind die Kapitalwerte von Immobilien verschiedener Sektoren wie Retail, Büro oder Industrie gesunken. Das zeigen Zahlen für Grossbritannien. Auch für den Schweizer Markt ist klar: Es gab Zeiten, als die Kapitalwerte und die Mieten mit der Inflation einigermassen Schritt halten konnten. Aber die These gilt längst nicht für jeden betrachteten Zeitraum. Die Nachfrage nach Immobilien als Investment schwankt; hinzu kommen strukturelle Veränderungen. Steigende Diskontsätze und teurere Finanzierungskosten haben natürlich ebenfalls ihren Effekt.

Farm- und Timberland als Nische

Christos Tsaravas von Manulife Investment zeigte die positiven Effekte auf, die Investitionen in Nischen bieten. Wer zum Beispiel langfristig in US-Farmland und Timberland investiert, profitiert von einem positiven Diversifikationseffekt. Die Korrelation mit anderen Anlageklassen ist gering. Wald, Landwirtschaftsland und Holzwirtschaft generieren stabile Erträge und eine positive Wertentwicklung bei geringen Schwankungen. Vor allem als Beimischung in einer klassischen Vermögensstrategie zahlen sich solche Investments aus: Die Returns im Portfolio liegen insgesamt höher, das Rendite-Risiko-Profil verbessert sich. Mit konkreten Zahlen belegte Tsaravas weiter, dass die Returns von Farmland und Timberland über einen Zeitraum von 30 Jahren deutlich über der Infla­tion liegen. Das Interesse an dieser Nische hat, wie Tsaravas weiter ausführte, jüngst deutlich zugenommen: Vor allem europäische Investoren setzten diese Instrumente nicht allein zu Diversifikationszwecken ein, sondern auch zur Umsetzung ihrer Ziele bei der Dekarbonisierung. «Die meisten Unternehmen haben in ihrer Strategie ihre längerfristigen Ziele bei den CO2-Emissionen definiert», so Tsaravas. Denn Wald und Farmland tragen in den Umweltbilanzen signifikant dazu bei, Treibhausgase zu reduzieren.

Für Daniel Brüllmann, Head Real Estate DACH bei der UBS, sind aktuell Inflations- und Zinsrisiken nur eine von mehreren Herausforderungen für die Branche. Investoren müssten sich auch mit dem Wandel von Mieterbedürfnissen auseinandersetzen, der Transition zu einer nachhaltigen Wirtschaft (CO2-Absenkpfad etc.) und dem nach wie vor sehr kompetitiven Transaktionsmarkt. «Bei den Transaktionspreisen sehen wir keine Inflation», so Brüllmann. Mehr Zurückhaltung sei allenfalls an den Rändern des Marktes spürbar, aber insgesamt seien die Nettorenditen an zentralen Lagen in der Schweiz immer noch extrem tief. Laut Brüllmann müsse sich die Branche erstmals nach langer Zeit auf ein inflationäres Umfeld einstellen. Klar sei dabei, dass Immobilien ein interessantes Potenzial bieten – und zwar sowohl im Umfeld sehr tiefer Zinsen als auch bei höheren Zinsen. «Das Problem sehen wir eher in der Übergangsphase von tiefen zu höheren Zinsen», so Brüllmann. Während sich zum Beispiel in Deutschland die Mieten aktuell relativ rasch auf die veränderte Kostensitua­tion anpassen lassen, funktioniere der Schweizer Wohnungsmarkt anders. Brüllmann rechnet mit einer gewissen Übergangsphase, in der die Diskontsätze bei den Bewertungen von Liegenschaften bereits steigen könnten, während die Regulierung resp. der Referenzzinssatz für Wohnungsmieten keinen Spielraum lasse.

Fokus auf steigende Marktmieten

Zoltan Szelyes, renommierter Analyst und CEO von Macro Real Estate, zeigte konkret auf, wie sich Familiy Offices im Kontext höherer Inflation positionieren. Dabei gewinnen nach seiner Meinung das Nettoertragswachstum und die positive Entwicklung der Marktmieten an Bedeutung. Die anhaltende Präferenz von Schweizer Investoren im Bereich von Mehrfamilienhäusern sei zu hinterfragen, so Szelyes, denn dabei würden offenbar «die Risiken im Markt unterschätzt». In Zeiten der Inflation könne dieser «Fixed-Income-Teil» schlecht abschneiden; die Risiken bei Anlagen mit sehr tiefen Nettorenditen nähmen zu. Tatsächlich gehen die Finanzierungskosten derzeit deutlich in die Höhe; höhere Diskontsätze drücken früher oder später auf die Bewertungen, und die Mieten können trotz Inflation wegen des trägen Referenzzinses in der Schweiz nicht oder nur verzögert angehoben werden. Auch andere klassische Investments wie US-Offices seien wegen hoher Capex-Kosten eher zu meiden, so der Analyst. Szelyes setzt daher auf andere Assets, die Wachstum und steigende Cashflows versprechen: zum Beispiel nicht-kotierte Immobilienfonds, Hotels oder Flächen für Life Science.

Fazit

Zum Schluss stellte Moderator John Davidson dem Panel noch die Frage nach der allgemeinen Einschätzung des Inflationstrends und der Netto-Anfangsrenditen. Die Meinungen gehen weit auseinander, ob die Inflation nun schon ein oberes Limit erreicht hat oder nicht. Hinsichtlich der Preise und Nettorenditen zeichnete sich aber auf dem Podium ein klarer Konsens ab: Die Expertin und die Experten sind einhellig der Auffassung, dass bei den Nettorenditen der Tiefpunkt inzwischen erreicht ist. Die Diskontsätze bei den Bewertungen werden wohl wieder steigen – nur ist die Frage, wie schnell dies passieren wird.

Das 87. Immobiliengespräch findet am 20. September 2022 statt.

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