65. Immobiliengespräch: Wie die Digitalisierung die Geschäftsmodelle der Immobilienbranche verändert.

Die Digitalisierung wird zu tiefgreifenden Veränderungen in der Immobilienbranche führen. Nicht langsam, sondern schneller als vielen lieb sein könnte. Wo diese greifen könnten und wie Unternehmen erfolgreich mit dem Wandel umgehen können, wurde am 65. Immobiliengespräch im Metropol diskutiert.

Die «Digital Leaders» setzen sich ab –  Unternehmen, die nachhinken, werden vom Markt gefegt. So die provozierende Erkenntnis des «Digitalisierungsbarometers» der Hochschule Luzern (HSLU). Haben sich Unternehmen in der Vergangenheit stark auf die Prozessoptimierung konzentriert, erkennen Sie nun, dass es darum geht, Geschäftsmodelle grundsätzlich zu hinterfragen. Die grösste Gefahr erwarten sie nicht etwa von der etablierten oder ausländischen Konkurrenz, sondern von innovativen Start-ups.

Die Erfolge von Uber und AirBnB haben offensichtlich auch die Entscheidungsträger der Immobilienbranche zum Nachdenken angeregt. Mittlerweile haben viele Unternehmen strategische Initiativen zur Digitalisierung gestartet. Allerdings sei das Wissen um die Kundenbedürfnisse und das Kundenverhalten vielerorts noch erschreckend tief, so ein Fazit der HSLU-Studie. Schlechte Voraussetzungen um im härter werdenden Wettbewerb zu bestehen.

«Dabei zeigt es sich, dass die Unternehmen, die innovativ und vorne dabei sind, nicht nur Marktanteile und Erträge erhöhen, sondern auch die besseren und innovativeren Mitarbeiter gewinnen konnten», erklärte Dr. Markus Schmidiger, Studienautor und Moderator des 65. Schweizer Immobiliengesprächs, zu dem sich am 27. September mehr als 100 Gäste im Zürcher Metropol einfanden.

Attraktive Unternehmenskultur

Mitarbeiter und Führung scheinen bei der Transformation zum digitalen Unternehmen eine Schlüsselrolle zu spielen, wie Peter Scherer, Partner bei Amstein+Walthert AG, einem Engineering und Beratungsunternehmen, ausführte. Die Dynamik der Innovationen erhöhe sich drastisch. Es werde immer schwieriger, Hype von effektiv nachhaltigen Innovationen zu unterscheiden. Zu lange zuwarten, bis alles klar und sicher ist, sei allerdings auch keine Option.

Amstein+Walthert habe sich deshalb die Frage gestellt, wie ein Engineeringunternehmen im Jahr 2025 aussehen könnte. Bewusst würden seither neue, potentielle Geschäftsfelder und Technologien durch dafür freigestellte Mitarbeiter spielerisch ausprobiert und auf ihre Potentiale getestet. Die Integration in die Organisation erfolge danach nicht etwa Top-Down angeordnet, sondern aufgrund von unternehmerischen Initiativen von Mitarbeitern. Neue Möglichkeiten, für die sich kein Produktchampion findet, würden nicht weiter verfolgt.

«Verantwortliche Personen, die eine Idee mit Kraft und Engagement umsetzen sind essentiell», eine Erkenntnis, zu der auch Ivo Lenherr, Mitinhaber von FSP Architekten AG gekommen ist. Sein Unternehmen stellt interessierten Mitarbeitern regelmässig neue Technologien und Tools zur Verfügung, vom 3D-Drucker bis zum BIM-Lab. Was in der Regel mit Abend- und Wochenendspielereien von einigen wenigen verrückten Mitarbeitern begonnen hatte, habe sich jeweils innert kürzester Zeit als ansteckender Virus in die Firma ausgebreitet, so Lenherr. So seien wichtige Prozessoptimierungen erfolgt. Gleichzeitig sei die Firma durch die partizipative, selbstverantwortliche und unternehmerische Kultur für digitale Talente so attraktiv geworden, dass sie mittlerweile aus einer Vielzahl von Bewerbungen auswählen könne, während andere Firmen händeringend nach Fachkräften suchen.

Digitalisierung als Denkhaltung

BIM etwa sei bei FPS Architekten AG gelebter Alltag. Geplant werde grundsätzlich in 3D mit einem digitalen Avatar; Projektbesprechungen fänden im Datenraum mit 3D-Brillen statt. Probleme könnten so direkt diskutiert und die notwendigen Entscheide sofort gefällt werden. Qualität, Geschwindigkeit und Fehlerfreiheit der Abläufe könnten damit massiv verbessert werden. Die Zusammenarbeit mit Fachplanern erfolge über gemeinsame Datenmodelle im Datenraum mit gleichzeitigem Zugriff auf alle relevanten Modelle.

BIM und Digitalisierung sind für Lenherr nicht Software, sondern primär eine Denkhaltung: «Firmen die bei der Digitalisierung zuerst an Technologie und Software denken, erleiden in der Regel Schiffbruch.» FSP Architekten AG habe, wie die meisten Unternehmen, die die Digitalisierung erfolgreich umsetzen, mit der Frage nach dem richtigen Geschäftsmodell gestartet. Daraus hätten sich die Anforderungen an die Mitarbeiter der Zukunft und die Definition der erfolgsversprechenden Prozesse ergeben. Erst danach habe man die Suche nach relevanten Technologien und Software gestartet, mit dem Resultat, dass ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell und eine unternehmerische Kultur entstanden sei, die Arbeiten aber zu über 90 Prozent mit etablierter Standardsoftware abgedeckt werden können.

Effizienzgewinne und Kostenreduktionen

Wie im weiteren Verlauf der Diskussion deutlich wurde vermindert die Digitalisierung nicht nur im Bereich der Führung, sondern auch in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen Hierarchien und fördert und fordert Netzwerke: Unternehmen können nicht mehr alleine erfolgreich sein; sie müssen sich vernetzen. Auch in der Baubranche entstehen damit mehrstufige Lieferantennetzwerke und modularisierte Beschaffungsstrategien.

Die klassische gewerkeorientierte Vergabe an den billigsten Anbieter hat definitiv ausgedient; die Reibungsverluste, die dabei entstehen sind viel zu gross. Eingespielte Netzwerke, die im Sinne des Ganzen denken und handeln sind wesentlich effizienter, wobei gleichzeitig sowohl Qualität und Geschwindigkeit als auch die Profitabilität für alle Beteiligten steigen. Auch auf der Baustelle ist somit ein grosser Wandel im Gange. In der Branche lange negativ belegte Konzepte wie Modularisierung, Standardisierung und Vorfabrikation gewinnen wieder an Attraktivität und setzen sich durch. Aber auch hier ist der Faktor Mensch und Führung entscheidend.

Anhand der «Lean-Philosophie» untersuchte Baustellen zeigen, dass lediglich fünf bis zehn Prozent der Tätigkeiten tatsächlich wertschöpfend sind. Mit geeigneter Kooperation, Zusammenarbeit und Planung der Planung kann dieser Anteil auf 30 bis 35 Prozent gesteigert werden – und die entstehenden Effizienzgewinne und Kostenreduktionen finanzieren sämtliche notwendigen Investitionen innert kürzester Zeit.

Echte Mehrwerte gefragt

Allein im Silicon Valley existieren aktuell über 350 sogenannte Prop-Tech Start-Ups – und fast täglich kommen neue Produkte und Lösungen auf den Markt. Einiges davon wird als Hype schnell wieder verschwinden, aber einiges wird die Geschäftsmodelle nachhaltig verändern. Grosses Potential wird insbesondere den disruptiven Technologien wie Virtual / Augmented Reality, Internet of Things, Künstlicher Intelligenz und dem Cloud Computing zugetraut. Ein Denken in Plattformen, sowohl für Marktmechanismen als auch für Produkte und Dienstleistungen, mit sich daraus ergebenden neuen Standards oder Peer-to-Peer- und Sharing-Möglichkeiten wird viele Geschäftsmodelle grundlegend verändern.

Das Internet als «weltgrösste Kopier- und Vermittlungsmaschine» wird vielen Geschäftsmodellen die heutige finanzielle Basis entziehen. Echte Mehrwerte werden gefragt sein, um auch in Zukunft Erfolg haben zu können. Das Verständnis für Kundenprobleme, das Denken in Prozessen, die Arbeit in Netzwerken und die Fähigkeit, engagierte und innovative Mitarbeiter zu gewinnen und produktiv zu erhalten werden dabei essentiell sein, so das einhellige Fazit der Diskussionsteilnehmer. (ms)

Die Präsentationen sowie Impressionen des Anlasses finden Sie hier.

Präsentation Peter Scherer

Präsentation Ivo Lenherr

Die umfassende, 450-seitige Studie «Digitalisierungsbarometer – Die Immobilienbranche im digitalen Wandel» der Hochschule Luzern können Sie zum Preis von 90,00 CHF bestellen unter ifz@hslu.ch

(Visited 88 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema