Smart Buildings

Die Weltbevölkerung nähert sich der Acht-Milliarden-Marke; die Erde verstädtert. Wohnraum wird knapp, die Ressourcen werden noch knapper. Keine einfache Aufgabe für Architekten, Ingenieure und Stadtplaner.

Die Monte-Rosa-Hütte – Prototyp eines Smart Buildings
Die Monte-Rosa-Hütte – Prototyp eines Smart Buildings

Smart Buildings
Derzeit arbeiten ganze Heerscharen von Wissenschaftlern, Architekten und Ingenieuren an der Entwicklung innovativer Lösungen für Gebäude. Der Hintergrund: Aktuell wohnen bereits über 50 Prozent der Bevölkerung des Planeten in Städten. Städte verbrauchen 75 Prozent der globalen Energie, rund 40 Prozent davon werden in Gebäuden verursacht. Schätzungen zufolge wird in den nächsten 20 Jahren der weltweite Energieverbrauch um rund 60 Prozent steigen, wobei die Nachfrage vor allem in den Ballungsräumen zunehmen wird. Mit dem Wachstum der Erdbevölkerung und der weiteren Verstädterung steigt die Nachfrage nach fossilen Energieträgern; die Ressourcen werden knapper – und teurer. Was die Forderungen einer deutlich höheren Energieeffizienz lauter werden lässt. An dieser Stelle setzen die Forschungen für intelligente Gebäude an. So ergab etwa eine Studie des McKinsey Global Institute, dass vier der fünf kostenwirksamsten Massnahmen  zur Senkung von CO2 ­- Emissionen mit Gebäudeeffizienz zu tun haben.

Der Prime Tower in Zürich
Der Prime Tower in Zürich

 

Vor Baubeginn wurde das Modell des 126 Metern hohen Gebäudes im Windkanal getestet.
Vor Baubeginn wurde das Modell des 126 Metern hohen Gebäudes im Windkanal getestet.

Gebäude als Energiequelle
Intelligent konstruierte Gebäude, so schätzt die EU, könnten bis zu 42 Pro­zent Energie, 30 Prozent Wasser und 35 Prozent CO2 ­Ausstoss einsparen. Kein Wunder also, dass Smart Material Houses ganz oben auf der Ende 2011 verabschiedeten Nachhaltigkeitsagenda der EU­Kommission stehen. Allerdings ist damit allein noch keine Antwort auf die Frage gegeben, wie ein stetig steigender Bedarf an Energie bei abnehmenden Ressourcen befriedigt werden kann. Die Nutzung der Alternative zu den fossilen Energieträgern – erneuerbare Energien aus Wind und Sonne – ist nach wie vor mit  Schwierigkeiten verbunden. Strom aus «schwankenden Energiequellen», der in die Elektrizitätsversorgung eingespeist werden muss, bringt die heutigen Stromversorgungsstrukturen an  die Grenze der Leistungsfähigkeit. Die Antwort der Industrie auf diese Herausforderung heisst «Smart Grid». Das neue Zauberwort bedeutet, dass alle Komponenten des Stromnetzes «synchronisiert» werden – d.h. wirtschaftliche und technische Informationen von Anbietern, Verbrauchern und integrierten intelligenten Automationssystemen ausgetauscht werden können. Ziel ist, eine durchgängige Harmonisierung von Erzeugung und Verbrauch elektrischer Energie zu erreichen. Dies wiederum funktioniert nicht ohne «Smart Buildings», und an solchen forscht u.a. Siemens Building Technologies in Zug. Christian Spengler, Vizepräsident der Siemens­Tochter, erklärt, was ein «intelligentes Gebäude» ausmacht: «Es beherrscht im Wesentlichen drei Dinge, die ein konventionelles Gebäude nicht kann: Erstens ist es fähig, auf Preissignale aus dem Netz zu reagieren und daraus Aktionen abzuleiten, z.B. den Stromverbrauch bei Hochtarif zu reduzieren oder ihn automatisch auf Zeiten mit günstigeren Tarifen zu verlagern. Zweitens kann das Smart Building Strom für den Eigenbedarf produzieren, etwa über Fotovoltaik – und den Überschuss ins Netz einspeisen. Und drittens kann die intelligente Speicherung – etwa Kälte oder Wärme in Gebäuden – genutzt werden, um das Smart Grid auszubalancieren.»

Damit diese theoretischen Überlegungen in der Praxis funktionieren, müssen Gebäude mit den Stromnetzen «kommunizieren» können – und damit dies wiederum klappt, haben Forschungseinrichtungen wie etwa Siemens Building Technologies entsprechende Gebäudeautomations­-Softwareprodukte entwickelt. Die Technologie integriert und optimiert die physischen und digitalen Infrastrukturen gewerblich genutzter Gebäude und Gebäudekomplexe, damit diese auf Preissignale aus dem Stromnetz reagieren können. Momentan laufen weltweit verschiedene Projekte, um das Zusammenspiel von Smart Grids und Smart Buildings zu erproben; u.a. beim Grid­Projekt der EU auf der dänischen Insel Bornholm sowie in der neuen Monte­-Rosa-­Hütte im Monte-­Rosa-­Massiv.

Der Bau in die Höhe ist mit Schwierigkeiten verbunden
Der Bau in die Höhe ist mit Schwierigkeiten verbunden.

Wachstum in die Vertikale
Der Zustrom auf die urbanen Ballungsräume schafft weitere Herausforderungen: Schliesslich brauchen die geschätzten 1,8 Milliarden neu­ en Stadtbewohner bis 2030 ein Dach über dem Kopf und müssen versorgt werden. Ob die Prognosen tatsächlich eintreffen, mag fraglich sein; doch unstrittig ist: Der Bedarf an Wohnraum, vor allem in rasch wachsenden Gesellschaften, wird immens steigen. Manche Städte nähern sich bereits heute dem Wachstumslimit, zumindest in der Horizontalen: Pendler schaffen täglich ein Verkehrschaos; der öffentliche Verkehr bringt nur bedingt Abhilfe und die Versorgung der Bevölkerung in der Innenstadt wird immer schwieriger. Da liegt das Verschieben des Wachstums in die Vertikale nahe. Allerdings ist der Bau in die Höhe mit Schwierigkeiten verbunden. So stellt sich etwa die Frage, wie man Wasser auf Hunderte Meter Höhe pumpt oder Aufzüge möglichst effektiv anordnet, um Tausende von Menschen ohne lange Wartezeiten in die gewünschte Etage zu bringen. Nicht zuletzt geht es um Standsicherheit: Schwere Stürme könnten auf die Fassade einwirken oder das Gebäude als Ganzes in Schwingung versetzen. Um die Reaktionen des Gebäudes auf die einwirkenden Kräfte genau ein­ schätzen zu können, bedienen sich die Planer «Stresstests». Dabei wird das Hochhaus in Miniatur nachgebaut und im Windkanal unter verschiedenen Belastungen vermessen. In Zürich war dies etwa beim Bürohaus Prime Tower, mit 126 Metern derzeit das höchste Gebäude der Schweiz, der Fall. Die Konstruktionstechnik ist inzwischen so weit entwickelt, dass immer neue Gebäude­ Höhenrekorde aufgestellt werden. Vorschläge für das ressourcensparende Wohnen von morgen wurden schon Ende des letzten Jahrhunderts entwickelt. 1996 entwarfen die Madrider Architekten Xavier Pioz, Rosa Cervera und Eloy Celaya den rund 1.200 Meter und 300 Stockwerke hohen «Bionic Tower», eine «vertikale Stadt» für bis zu 100.000 Menschen. Seinen Namen verdankt der Turm einer der Natur nach­ empfundenen Konstruktionsweise, die es ermöglicht, die dato geltende theoretische Maximalhöhe für Wolkenkratzer von etwa 700 Metern zu überschreiten. Der Begriff Bionik deutet an, dass bei dieser Technologie aus der Biologie abgeleitete Prinzipien auf technische Anwendungen übertragen werden. Bionik wird nicht nur zur Entwicklung neuer Schwimmanzüge für Athleten nach Vorbild von Haifischflossen erfolgreich genutzt, sie soll auch die beim Bau der «Superwolkenkratzer» anfallenden Probleme lösen können. Bei der Statik des Bionic Tower setzten die Architekten auf eine Konstruktion, die – einem Baum ähnlich – aus vielen, miteinander verbundenen Bauteilen und Ringen besteht. Alle ein­ wirkenden Kräfte können so aufgefangen und im verzweigten Verbindungsnetz ohne Beschädigung abgeleitet werden, was dem Gebäude eine enorme Festigkeit verleiht.

Untersuchungen im Hafen von Hongkong 1999 brachten die Erkenntnis, das Gebäude am besten in einem künstlich an­ gelegten See zu errichten, um bei einem Erdbeben Schockwellen abfangen zu können. Die Grundprobleme wären da­ mit gelöst. Auch ein Standort ist gefunden: Schanghai hat sich beworben, den Bionic Tower zu bauen. Bisher besteht das Vorhaben nur auf dem Reissbrett. Zum einen bedeuten 15 Jahre Bauzeit, Baukosten zwischen 15 und 30 Milliarden Dollar und die lange Vorfinanzierungszeit für Investoren ein hohes Risiko. Zum anderen sind neben Neuentwicklungen im statisch­konstruktiven Bereich Weiterentwicklungen in der Anlagen­ und Haustechnik notwendig, meinen Experten wie Drees­-&­-Sommer-­Schweiz-­Geschäftsführer Steffen Szeidl: «Die sind bisher nicht auf dem Markt oder befinden sich als Prototypen noch in Erprobung.» Ferner stellten sich auch soziologische Probleme. Menschen müssten umdenken und umlernen, ob bei Themen wie Höhenangst, Lärm, engem Lebensraum oder bei der Beschattung, Belichtung und Frischluftversorgung. Mit einer raschen Umsetzung der Pläne rechnet Szeidl nicht; doch begrüsst er, dass die Idee des Bionic Tower die Diskussion um neue Technologien und Materialien belebt und die eine oder andere Weiterentwicklung hervorbringt. Ob die Idee nicht doch noch realisiert wird, bleibt indes abzuwarten.

Die Bionik nutzt Vorbilder aus der Natur, z.B. den Löwenzahn. Dem Baum nachempfunden sind die ringförmig verbundenen Bauteile des Bionic Tower.
Die Bionik nutzt Vorbilder aus der Natur, z.B. den Löwenzahn. Dem Baum nachempfunden sind die ringförmig verbundenen Bauteile des Bionic Tower.
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