Büroimmobilienmarkt der Westschweiz

Die Romandie ist Sitz zahlreicher multinationaler Unternehmen. Aufgrund der rechtlichen Unsicherheiten überdenken viele Firmen ihren Immobilienbedarf – mit Konsequenzen für die Vermieter.

In Lausanne hat das Angebot an Büroflächen im vergangenen Jahr stark zugenommen.
In Lausanne hat das Angebot an Büroflächen im vergangenen Jahr stark zugenommen.

In den vergangenen zehn Jahren haben immer mehr multinationale Unternehmen den Sitz ihrer europäischen Firmenzentralen in die Region zwischen Genf und Lausanne verlegt. Dieses Interesse kommt nicht von ungefähr: Die politische Stabilität, die robuste Wirtschaft, der hohe Lebensstandard, das internationale Schulsystem und nicht zuletzt die verkehrstechnisch hervorragenden Anbindungen machen die Genferseeregion zu einem äusserst attraktiven Standort für ausländische Unternehmen und hochspezialisierte Arbeitskräfte verschiedenster Branchen. Die Romandie profitiert von der Ansiedelung der multinationalen Gesellschaften ebenfalls. In der Waadt waren diese für mehr als zwei Drittel aller zwischen 2000 und 2010 neu geschaffenen Arbeitsplätze verantwortlich. Und im Kanton Genf konnte im gleichen Zeitraum ein Beschäftigungszuwachs durch multinationale Unternehmen von durchschnittlich acht Prozent pro Jahr verzeichnet werden. Zum Vergleich: Der gesamtkantonale Durchschnitt liegt bei zwei Prozent.

«Vermieter müssen lernen, mit dieser aktuell unsicheren Situation und den neuen Anforderungen seitens der Mieter umzugehen.»
Beat Seger, KPMG Zürich

Attraktivität gesteigert

Nicht zuletzt haben auch attraktive Steuergestaltungsmöglichkeiten die Umsiedelung europäischer Firmenzentralen begünstigt. Von den flexiblen Gestaltungsoptionen profitierten bis anhin vor allem Unternehmen, deren Hauptgeschäftstätigkeit sich auf ausserhalb der Schweiz konzentrierte (sog. gemischte Gesellschaften oder Prinzipal-Gesellschaften). Diese Steuerstrukturen sind der Europäischen Union allerdings ein Dorn im Auge. Sie wirft der Schweiz eine Verletzung des Freihandelsabkommens von 1972 vor, was die hiesige Regierung derzeit vor die Herausforderung stellt, das Unternehmenssteuerrecht an die EU-Anforderungen anzupassen und gleichzeitig die Standortattraktivität zu wahren. In den nächsten Monaten wird sie ihre Vorschläge präsentieren. Auch multinationale Unternehmen in den Kantonen Genf und Waadt werden von den Änderungen des Steuerrechts betroffen sein. Je nach Ausgestaltung der Lösungen muss davon ausgegangen werden, dass viele ihre Standorte reduzieren oder gar komplett aufgeben werden.

«Ein spürbarer Rückzug der multinationalen Unternehmen aus den Kantonen Genf und Waadt würde den Immobilienmarkt gehörig aufmischen.»
Timothy Keeling, KPGM Genf

Immobilien unter Druck

Im Zuge dieser rechtlichen Unsicherheiten und aufgrund des starken Schweizer Frankens, der die Kosten im Vergleich zum Ausland in die Höhen schnellen lässt, haben viele multinationale Unternehmen damit begonnen, ihren Immobilienbedarf zu überdenken. Flächenreduktionen und Umstrukturierungen konnten bereits beobachtet werden. Als Folge davon stehen mehr kommerzielle Flächen zur Verfügung, was sich in erhöhten Angebotsziffern niederschlägt. Diese liegen in den Städten Genf und Lausanne bei 6,3 bzw. 4,5 Prozent und somit deutlich über dem eidgenössischen Durchschnitt von 3,4 Prozent. In Genf sind vor allem Innenstadtlagen betroffen: Die im vierten Quartal 2012 angebotene Bürofläche von insgesamt 70.000 Quadratmetern überstieg das Vorjahresniveau um beinahe das Dreifache und ist damit der höchste Quartalsstand seit 2006. Das Angebot an Büroflächen in Lausanne hat ebenfalls stark zugenommen und lag Ende 2012 bei 111.000 Quadratmetern und somit 18 Prozent über dem Vorjahreswert. Diese Entwicklungen wirken sich unmittelbar auf die Mietpreise aus. Während diese in den letzten Jahren durch die Nachfrage multinationaler Unternehmen in die Höhe schnellten, fallen die Marktaussichten für das erste Halbjahr 2014 entsprechend pessimistisch aus.

Neue Geschäftsmodelle nötig

Ein spürbarer Rückzug der multinationalen Unternehmen aus den Kantonen Genf und Waadt würde sich nicht nur negativ auf die Prosperität und den Innovationsschwerpunkt der Region auswirken, sondern auch den Immobilienmarkt gehörig aufmischen. Vermieter müssen lernen, mit dieser aktuell unsicheren Situation und den neuen Anforderungen seitens der Mieter umzugehen. Eine Anpassung der Geschäftsmodelle scheint unumgänglich, wenn die Eigentümer ihre Mieter – insbesondere multinationale Unternehmen – sowie die Mietpreise für Werterhaltungszwecke beibehalten möchten. Das veränderte Nachfrageverhalten muss zwingend Teil der strategischen Planung werden und es gilt, Grösse, Ausbaustandard, Mietvertragsstruktur sowie Gebäudetechnik der Liegenschaften entsprechend auszurichten. Marktaussagen und -prognosen ausgewiesener Experten können Vermieter in ihrer Planung unterstützen. Umstrukturierungs- sowie steigende Verwaltungs- und Vermarktungskosten müssen dabei aber wohl ebenso in Kauf genommen werden wie längere Leerstandszeiten.

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