Rückblick 82. Schweizer Immobiliengespräch: «Alles digital oder was?»

Zum jüngsten Schweizer Immobiliengespräch im Restaurant Metropol in Zürich kamen rund 70 Teilnehmende und liessen sich von drei hochkarätigen Referenten über den Stand der Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche aufklären.

Schweizer Immobiliengespräch 82 - Thema: Alles digital oder was? (c) Mathias Rinka
Die Themen des 82. Schweizer Immobiliengespräch drehten sich um den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche und die Zukunftsperspektiven. (Bilder: Mathias Rinka)

«Die vergangenen Monate waren für viele Unternehmen und Mitarbeitende ein Crash-Kurs in Digitalisierung», sagte Moderator Markus Schmidiger (HSLU) zu Beginn des 82. Schweizer Immobiliengesprächs, das die digitale Immobilienwelt aus verschiedenen Blickwinkeln näher beleuchtete. Derzeit werden viele Prozesse innerhalb der Unternehmen und im Kundenkontakt effizienter und einfacher gestaltet – sei es der digitale Mietvertrag, das Management von Assets oder die gesamte Baudokumentation. Planung, Bau, Vermarktung und Betrieb von Immobilien haben sich nicht erst in jüngster Zeit verändert – und die Veränderungen schreiten weiter voran.

«Der Mensch wird wieder wichtiger»

Markus Mettler, CEO der Halter AG, stellte in seinem Referat dar, was die Digitalisierung bei den Firmen der Halter Gruppe vor allem ausgelöst hat: «Wir sind überzeugt, mit neuen Werkzeugen und Prozessen viel effektiver und kollaborativer zum Erfolg zu kommen», sagte er. Heute werde bei der Projektentwicklung und beim Bau viel ganzheitlicher gedacht als in der Vergangenheit. Das Schlüsselelement ist die «Integration von Planung, Bau und Betrieb», etwa wenn bei der Planung einer neuen Liegenschaft auch schon die industrielle Vorfertigung der Bauteile und die Baulogistik konzipiert und gleichzeitig auch der Grundstein dafür gelegt wird, dass später im Betrieb die CO2-Ziele erreicht werden oder Mieter und Eigentümer im Alltag von praktischen und intuitiv bedienbaren digitalen Werkzeugen profitieren können.

«Mit der Digitalisierung kommt aber zunehmend auch ein anderes Mindset in die Unternehmungen der Bau- und Immobilienbranche», stellte Mettler fest. Das beginne mit der Wiederentdeckung der zentralen Bedeutung von Leadership und reiche bis zur Eliminierung von Routine-Prozessen im Arbeitsalltag. «Am Ende wird der Mensch wieder wichtiger. Dank des Einsatzes von Technologie können sich die Mitarbeitenden auf das Wesentliche konzentrieren und wieder kreativer werden», so Mettler. Darüberhinaus würden dank Digitalisierung Planung und Bau deutlich günstiger – bis zu 50 Prozent Einsparpotenzial sieht hier Mettler dank der Vermeidung von Über- und Unterqualitäten und Leerläufen sowie neuer Entwurfs-, Engineering- und Fertigungstechnologien in Verbindung mit entsprechend optimierten Prozessen.

Datenhoheit und ESG-Kriterien

Roger Krieg, Gründer von Office Lab und Geschäftsführer der Beratungsfirma Alpha IC in der Schweiz, betonte, dass heute dank Digitalisierung Vieles gleich vom Endkunden her gedacht werden könne. Dies erleichtere die Arbeit des Immobilienmanagers entscheidend. Bedürfnisse des Nutzers, etwa in einer Büro- oder einer Gewerbeimmobilie, könnten heutzutage viel schneller bearbeitet und bedient werden. Mit Bezug auf das Facility Management stellte er die berechtigte Frage, ob Ausschreibungen für Gebäudedienstleistungen denn immer noch wie vor 30 Jahren gehandhabt werden müssten.

Mit der Digitalisierung im Gebäudepark komme es nun nach und nach zu einem «Aufbrechen von Paradigmen». Vieles werde hinterfragt und innovative Lösungen nachgefragt. Zwei wichtige Themen sieht er im Zusammenhang der fortschreitenden Digitalisierung: Das eine betreffe die Datenhoheit, vor allem wenn es um die Zahlen und Statistiken aus dem Gebäudebetrieb gehe, die etwa per Sensorik erhoben werden. Das andere wichtige Thema sei die Nachhaltigkeit und mit ihr die Einhaltung von ESG-Kriterien. «Dies muss und wird in Zukunft ‘basic’ sein», so Krieg.

Verknüpfungen nach dem Lego-Prinzip

Stefan Zanetti, Gründer und VRP von Allthings, plädierte im Anschluss für mehr Zusammenarbeit in der Branche und das Denken in Ökosystemen. Ein wichtiger Punkt hierbei sei die Schnittstellenfähigkeit der vielen digitalen Lösungen. Dies verdeutlichte er mit dem Bild von Lego-Steinen. Diese verfügten über standardisierte Noppen. Die legitime Erwartung der Immobilienindustrie müsse doch sein, dass PropTech-Anwendungen und vor allem auch Systeme älterer Anbieter genau wie diese Steine «einfach zusammengesteckt» werden können. Diese «Legoisierung», so Zanetti, müsse auf offenen, dokumentierten APIs (Application Programming Interfaces) beruhen – statt auf taktischem Agieren in geschlossenen Systemen. «Die nächste Stufe der Digitalisierung lässt sich nur mit diesen Verbindungen zünden.»

Für Zanetti ist das Denken in Ökosystemen der entscheidende Faktor, um der Digitalisierung zum Durchbruch zu verhelfen. Daher gingen er und sein Team bei Allthings nun auch auf die nächste Entwicklungsstufe: von der etablierten Mieterplattform hin zu einer «Digital Operators Platform», die kundenspezifisch mit offen konzipierten weiteren Software-Partnern zusammen umgesetzt wird. Dabei könne er sich etwa auch ein Siegel für geprüfte und open-API-basierte PropTech-Anwendungen vorstellen. «Wir wollen im 2025 eine andere Immobilienwirtschaft sehen. Und dazu zählt auch, dass alle Player in der in der Lage sein müssen, ihre APIs zu beschreiben und zu exponieren», so Zanetti.

Werden wir alle PropTech?

In der folgenden von Markus Schmidiger moderierten Diskussionsrunde waren sich alle drei Referenten einig, dass die «alte» Bau- und Immobilienbranche in noch zu vielen Bereichen neue Startup-Lösungen blockiere. Mettler merkte aber an, dass es derzeit auf jeder Ebene in der Immobilienwirtschaft eine «extreme Dynamik» gebe. Es gehe jetzt «extrem schnell» mit dem digitalen Fortschritt. Krieg warf ein, dass viele der etablierten Firmen sich davor scheuten, «First Mover» zu sein. Er brachte Verständnis dafür auf, dass diese lieber die Entwicklungen erst einmal abwarten und sich dann für Produkte und Lösungen entscheiden wollten, die sich am Markt auch langfristig bewähren.

Eine weitere Schwierigkeit sei die mittlerweile fast unüberschaubare und täglich zunehmende Zahl an PropTech-Firmen, so Krieg. Die Podiumsteilnehmer kamen überein, dass es sicher schon bald zu einem Bereinigungseffekt kommen werde. Hybride Modelle zwischen den jungen und alten Firmen sowie neue Kooperationen zwischen «old economy» und «new economy» werde es sogar noch verstärkter geben. Auf die Frage, wie Proptech – Unternehmen mit etablierten Unternehmen zusammenarbeiten, fragte er ketzerisch zurück: «Braucht es langfristig eigentlich noch die Unterscheidung zwischen PropTech und etablierten Firmen? Wird es nicht auch in der Immobilienwirtschaft so sein, dass alle Unternehmen entweder echte Technologie-Unternehmen werden – oder sterben?»

Das kommende 83. Schweizer Immobiliengespräch findet am 21. September 2021 statt.

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